EUROSOLAR lehnt die Aufnahme von Nuklear- und Erdgastätigkeiten in die EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzierungen ab

Der echte Green Deal braucht schnelle Ausstiegspfade aus Erdgas und Atom.

EUROSOLAR lehnt jegliche Elemente der Nuklearenergie und Erdgasversorgung in der EU-Taxonomie für ökologisch nachhaltige Aktivitäten ab. Sollten diese Technologien als nachhaltige Investitionen in die EU-Taxonomie aufgenommen werden, kämen sie für sehr günstige Finanzierungsbedingungen in Frage. Dies wäre ein weiteres massives Hindernis bei den Bemühungen, den Übergang zu Erneuerbaren Energien herbeizuführen und die katastrophalen Folgen einer abrupten globalen Erwärmung in Europa und auf der ganzen Welt zu mindern.

Diese beiden schädlichen Energiesysteme widersprechen allen sechs Nachhaltigkeitszielen der Taxonomie-Regelung, denn sie

  1. tragen durch Lebenszyklusemissionen und Opportunitätskosten weiter zum Klimawandel bei
  2. erschweren die Anpassung an den Klimawandel, indem sie starre Systeme schaffen, die bei extremen Wetterereignissen versagen
  3. fügen den Wasser- und Meeresressourcen durch Erwärmung und Verschmutzung großen Schaden zu
  4. behindern den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, indem sie unlösbare lineare Abfallströme erzeugen
  5. sind beide führende Umweltverschmutzer
  6. tragen nachweislich zur Schädigung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme bei: durch Abbau, Gewinnung, Verarbeitung sowie in Bau und Abfallproduktion.

Weitere Investitionen in erdgasbefeuerte Kraftwerke stellen eine existenzielle Bedrohung dar, da sie mit den Zielen einer raschen Senkung der Kohlendioxidemissionen gemäß dem Pariser Abkommen unvereinbar sind – ganz zu schweigen von den notwendigen negativen Emissionen, die zu stabilen Treibhausgaskonzentrationen führen sollen. Die Kernenergie ist weder kohlenstoffemissionsfrei, wenn man ihre Lebenszykluskosten betrachtet, noch erfüllt sie aufgrund der enormen Kosten, der unlösbaren Probleme mit nuklearen Abfällen, der Verbreitung von Kernwaffen, der Schwere nuklearer Unfälle und des Risikos von Anlagenausfällen bei künftigen höheren Temperaturen die Kriterien für nachhaltige Investitionen.

Neue Investitionen in Gas- und Kernkraftwerke mit günstiger grüner Finanzierung zuzulassen, wäre ein massiver Rückschlag und deren Überlegung zeugt von mangelndem Weitblick der Europäischen Kommission. Es offenbart Unaufrichtigkeit bei der Propagierung einer nachhaltigen Entwicklung und untergräbt genau den Green Deal, den die Taxonomie unterstützen soll. 

Stattdessen stellt EUROSOLAR eine Vision vor, in der die Europäische Union und die europäischen Länder den erneuerbaren, klimastabilisierenden Weg einer „Regenerativen Dekade“ einschlagen: Dies ist das dringendste Ziel für Europa im Jahr 2022. Dies erfordert einen klaren Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen und der Atomenergie als oberstes Gebot sowohl der EU-Politik als auch der nationalen Praxis.

Uran und Methan sind zwei der tödlichsten Elemente überhaupt, wenn es um energietechnologische Anwendungen geht. Anstelle die weitere Nutzung dieser gefährlichen Ressourcen auch nur in Erwägung zu ziehen, müssen Regierungen umgehend und gemeinsam planen, wie die sich anbahnenden Methan- und Urankatastrophen aufzuhalten sind. Das muss von nun an der Fokus aller diplomatischer und gemeinsamer Anstrengungen sein – dagegen verblassen alle militärischen und territorialen Streitigkeiten: die gemeinsame existenzielle Bedrohung kann nur überwunden werden, wenn sie als solche erkannt, und in gegenseitig unterstützender Mobilmachung bekämpft wird.

1. Die existenzielle Gefahr Erdgas

Atmosphärische Methankonzentrationen sind heute bereits drei- bis viermal höher als ihr klimastabiler Pegel – zwischen 1800 und 2400 atmosphärische Teile pro Milliarde (ppb) – während es über eine halbe Millionen Jahre lang maximal 600 ppb waren.

2000 Teile pro Milliarde CH4: das entspricht 172 Teile pro Million CO2, wenn man annimmt, dass Methan über einen Zerfallszeitraum ein 86 mal so effektives Klimagas ist wie CO2 (56 ppm über 100 Jahre). CO2-Konzentrationen sind heute bereits auf 420 Teile pro Million hochgeschnellt – zusammen sind das also bereits 592 ppm CO2-e (Äquivalent) ohne dass die anderen Klimagase überhaupt erst eingerechnet sind. Und sowohl CH4– und CO2-Konzentrationen steigen exponentiell an, größtenteils weil nichts dagegen unternommen wird. Von Brüssel bis Washington bis Moskau, Beijing, Jakarta und Canberra werden weiter fossile Energien einschließlich Methan gefördert und priorisiert.

Etwa 40 % des atmosphärischen Methanüberschusses erklärt sich aus fossilen Industriequellen: Erdgas- und Erdölproduktion. Andere Teile kommen aus Landwirtschaft und anderen Quellen. Aber der Rest wird immer mehr und mehr auch aus der Arktis geliefert: von Mikroben im tauenden Permafrost, durch Erwärmung und Störung kollabierendes Methaneises (Hydrat bzw Klathrat) und auch – wie es sich herausstellt primär aus dem Nordpolarmeer, mit 14 Mio. km2 zwar der kleinste Ozean der Welt – für das Erdklima aber der gefährlichste.

Denn hier wurde 2021 das wahrscheinliche ansteigende Ausströmen uraltem thermogenen Methans aus sehr tief liegenden Quellen und Blasen nachgewiesen. Diese lagen bisher unter dem Polarmeerboden gefangen, der eisige Deckel über einer Milliarden alter Methanvorkommen, der sich nun durch das Eindringen erhitzten atlantischem Meereswasser auflösen mag.

Methan gilt als Planetenkilller, wenn es um die menschliche Habitabilität ­– Bewohnbarkeit – der Erde geht. In der Erdgeschichte hat das Element – von Mikroben erzeugt, also biogen – durch rapiden Temperaturanstieg im Perm vor 252 Millionen Jahren 70 % der Land- und 90 % der Meereslebewesen ausgelöscht. Dadurch geschah das bisher größte Aussterben der Lebewesen in der Geschichte des Planeten.

(c) COPERNICUS

Neue COPERNICUS-Daten zeigen, dass die gesamte Arktis zu einer starken Methanquelle geworden ist, die die globalen THG-Konzentrationen erhöht. Die Kartierung, auf etwa 5500 m Höhe über dem Meeresspiegel erfasst sind, zeigt klar die stark erhöhten Werte, vor dem Hintergrund eines weltweiten Konzentrationsspiegels, der auch bereits dreimal so hoch ist wie er als stabiler Wert sein sollte. Im Augenblick dominieren nordeuropäische, russische und kanadische Methanquellen an Land. Aber, und sehr beunruhigend, sieht man auch einen signifikanten Methanschleier über dem arktischen Meer selbst. Dieser kann bedeuten, dass CH4 hier aus tiefen Quellen austritt – das wäre bestätigt durch Studien, die von einem schwedisch-russischen Team bereits Anfang 2021 publiziert wurde, und als Blasenkolumnenphänomen in der Laptev-See Ende 2020 bereits visuell gemeldet wurde.

Diese Entdeckungen bestärken zwei Jahrzehnte empirischer wie theoretischer Arbeiten, die die Präsenz von vielen Gigatonnen an Methanvorräten postulierten. Sollte das geschehen, würde sich die Erdtemperatur schlagartig erhöhen. Aber auch ohne diesen Schub hat die Erdatmosphäre untragbar starke Methanquellen, sowohl aus fossiler Energienutzung wie von vermehrter mikrobieller Aktivität. Regierungen müssen daher unverzüglich Erdgasnutzung zurückfahren und umgehend Stabilisierungsmaßnahmen wie die der Regenerativen Dekade einleiten.

Am selben Tag von COPERNICUS visualisiert sind Januar-Waldbrände weltweit. Neben den verheerenden Bränden in Colorado und viel größeren Konflagrationen in Südostasien, fallen hier die vielen Feuer im großen grünen Gürtel südlich der Sahara auf, gerade dort, wo es in Afrika noch grünt. Das ist wieder ein massiver Kipppunkt und Rückkoppelungsfaktor, der zu völlig neuen Anstrengungen anspornt.

2. Atom ist Irrweg, nicht Ausweg

Die astronomischen Kosten, ungelöste Abfallbewältigung und ständigen Unfallgefahren, die von Kernreaktoren ausgehen, sind altbekannt und mitdenkenden Menschen nachvollziehbar. Dennoch nehmen insbesondere Nationen mit Atomstreitkräften diese Risiken in Kauf, um für diese Zwecke Vorrat an menschlichen und spaltbaren Ressourcen zu haben. Verdrängt wird jedoch die längst bekannte Tatsache, dass das Abschalten und sichernde Dekonstruktion der Reaktoren in der Zeit der Erderhitzung zur dringenden Zukunftsbewältigung gehört, zum Katastrophenschutz. 

Die sich schnell erhitzende Nordhalbkugel beheimatet über 90 % aller Kernreaktoren weltweit, die alle in einer engen Temperaturspanne arbeiten: wird es zu heiß, geben sie auf – auch Hochspannungsleitungen und viele elektrische Übertragungssysteme überhaupt versagen. Die meisten Reaktoren ­– ob Uran oder Kohle – brauchen Kühlwasser aus Flüssen und Seen: das geht schnell aus, wenn Temperaturen weiter steigen. Es ist daher eine vordringliche Aufgabe, alle Atommeiler aus Bevölkerungs- und Zivilschutzgründen stillzulegen und soweit möglich harmlos zu machen ­– sonst hinterlassen wir bald eine sehr strahlende Zukunft.

3. Regeneratives Agieren hilft allen

Erneuerbare Energien sind generell ungiftig und kostenlos. Zudem liefern sie resilient Strom und Wärme, und da geografisch verteilt in redundanten Kreisläufen und Netzen, und idealerweise immer den Verbrauch vor Ort erst abdeckend. 

Nun gilt es auf planetarischer und europäischer Ebene Zeit zu gewinnen, damit wir als Spezies lernen, nicht nur CO2 sondern auch CH4 aus der Atmosphäre zu entnehmen, und die Klimaspirale zu stabilisieren. Hier entsteht der eigentliche Sinn der europäischen Gemeinschaft und diplomatischer sowie Handelsbeziehung weltweit: im gegenseitigen Helfen beim Aufbau der Regenerativen Wirtschaft.

EUROSOLARs Regenerative Dekade ist zukunftsgerecht und besteht aus zehn praktischen und dringenden Schritten – siehe www.earthdecade.org.

EUROSOLAR fordert eine Fokussierung und Stärkung des Europäischen Green Deals, von Klimaneutralität hin zu 100 % Erneuerbaren Energien, karbonsequestrierender Landwirtschaft, Aufforstung mit dürreresistenten Wäldern und die Umwidmung der europäischen Kreislaufwirtschaftsrichtlinien in wirtschaftsweite Karbonsequestrierungsregelungen: Ziel muss ein klimapositives, emissionsnegatives Europa sein, auf der Basis eines kurzfristig umgesetzten 100 %-Energiezieles bis 2030, mit praktischen, näheren Umsetzungshorizonten. Hierfür mangelt es nicht an verfügbaren politischen Werkzeugen, wie etwa einem überzeugenden Energie-Einspeise-Gesetz, Erneuerbaren-Energien-Technologien und erfolgreichen Beispielen: EUROSOLAR hat sie seit Jahrzehnten im Rahmen der Solarpreis-Verleihungen zelebriert und in Solarstadt-, Speicher- und vielen anderen Konferenzen verbreitet.

Wie viel möchten Sie spenden?

Sollte diese Spende wiederkehrend sein?

www.eurosolar.org

www.earthdecade.org

Professor Peter Droege, President, for EUROSOLAR e.V., European Association for Renewable Energy

Contributions by EUROSOLAR Board, European Delegates Assembly, EUROSOLAR Sections


Quellen:

[1] https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-finance/sustainable-finance/eu-taxonomy-sustainable-activities_en

[2]  from today 420 ppm to 280 ppm CO2

[3]  www.earthdecade.org

[4] https://doi.org/10.1073/pnas.2019672118

[5] https://www.science.org/doi/10.1126/science.aat1327

[6] Specifically CAMS – the Copernicus Atmospheric Monitoring Service. COPERNICUS is the satellite based earth monitoring system set up by the EC and ESA in 1998.